
Der kleine Stern
Weihnachtsgeschichte von Conny Cremer, adaptiert von HiPP Schweiz
Der kleine Stern hoch oben am Himmel langweilte sich. Zwar redeten er und seine Nachbarsterne mit Blinkzeichen miteinander. Doch auch das wurde mit der Zeit langweilig. Deshalb drehte sich der kleine Stern und purzelte herum – bis er hinab Richtung Erde schaute. Traurig blickte er auf die Welt und fand, es sei doch ganz egal, ob er am Himmel stünde oder nicht. Bei so vielen Sternen am Himmel fällt ein einzelner doch gar nicht auf …
Die Erde aber ist anders. Die Erde ist ein Planet, wo es sogar Lebewesen geben soll. Das hatte dem kleinen Stern zumindest mal jemand erzählt. Wie schön das doch wäre, wenn er sich das alles mal mit eigenen Augen anschauen könnte. Doch: Wie soll er bloss zur Erde kommen?
Der kleine Stern überlegte und überlegte. Er blinkte nach rechts, nach links, nach oben und unten und bat seine Freunde um Hilfe. Die Freunde antworteten blinkend, rieten dem kleinen Stern aber davon ab, zur Erde zu gehen. Die Reise sei gefährlich, er könne erlöschen und schliesslich sterben. Ausser-dem waren sich die Sterne einig, dass er, einmal zur Erde gereist, nie mehr zurück in den Himmel fin-den werde.
Der kleine Stern wusste also noch immer nicht, wie er zur Erde kommen sollte. Er fing an, Verschiede-nes auszuprobieren. Wenn keiner wusste, wie ein Stern vom Himmel kommt, dann wusste auch niemand, ob er wirklich erlöschen und sterben würde. «Probieren geht über studieren», dachte er sich. Der kleine Stern begann also, sich immer schneller zu drehen und Purzelbäume zu schlagen. Und als ihm beinah schwindelig war, fing er an zu wackeln. Plötzlich verlor er den Halt und stürzte pur-zelnd und drehend in Richtung Erde.
In dem Moment schaute ein kleines Mädchen aus seinem Fenster in den Himmel. Als es den fallenden Stern entdeckte, erschrak es und lief sofort zu seinen Eltern, die in der Küche sassen. «Mami, Papi, kommt schnell! Da fällt ein Stern vom Himmel. Wir müssen ihn suchen und in den Himmel zurück-bringen.» Der Vater versuchte seine Tochter zu beruhigen: «Das war bestimmt nur eine Stern-schnuppe. Du hättest dir etwas wünschen können.» «Nein, nein,» rief das Kind. «Es war keine Stern-schnuppe. Es war ein Stern, der fehlt jetzt am Himmel.» Das Mädchen lief zum Fenster und zeigte hinauf in den Himmel. «Schau Papi, da oben war der Stern und jetzt ist sein Platz leer. Bitte, wir müs-sen ihn suchen.» Der Vater trat ans Fenster und irgendwie schien die Stelle, auf die seine Tochter deu-tete, tatsächlich leer zu sein. Er willigte ein, mit ihr einen Spaziergang zu machen, um den Stern zu suchen. Sie zogen sich Stiefel, Kappe und Handschuhe an und gingen raus in die Winter-nacht.
Kaum auf der Strasse, rief das Mädchen aufgeregt: «Schau Papi, da leuchtet es im Wald. Da ist der Stern!» Vater und Tochter machten sich auf den Weg Richtung Licht und sahen, dass der Schein, dem sie folgten, wie bei einem Feuer flackerte. Schnell waren die beiden durchs Gestrüpp gedrungen und standen plötzlich an einer kleinen Mulde, wo sie etwas ganz Besonderes entdeckten: Ein Häschen stupste mit seiner Nase das Licht an, das zuckend auf dem Boden lag und sich seltsam bewegte. Vater und Tochter gingen näher und sahen, dass der kleine Stern verzweifelt versuchte, sich aufzurichten. Das Häschen wollte ihm helfen, es zog sich aber sofort zurück, als es die beiden Menschen entdeckte und guckte nun unter einer Wurzel hervor. «Papi, wir müssen dem Stern helfen!» Die Worte seiner Tochter brachten den Vater zurück in die Wirklichkeit, denn er konnte nicht glauben, dass er da gera-de einen Stern am Boden liegen sah, dem ein Hase beim Aufstehen helfen wollte.
Der Vater blickte zum Himmel und sah nun genau, dass da ein Stern fehlte. In diese Lücke gehörte der kleine Stern. Dort sollte er scheinen und die Nacht heller machen. «Du musst ihn nach oben werfen, Papi.» – «Aber so hoch kann ich doch gar nicht werfen», antwortete der Vater. «Versuchen musst du es. Schau, der Stern wird immer schwächer», stellte seine Tochter traurig fest. Und sie hatte recht, der Stern wurde dunkler, rund um ihn herum schmolz der Schnee. Vorsichtig versuchte der Vater deshalb, den Stern zu umfassen. Sofort spürte er – trotz der Handschuhe – die Hitze, die noch immer vom Stern ausging. Das Häschen mit seiner zarten Nase hatte wegen der Hitze keine Chance, dem Stern wieder aufzuhelfen …
«Ich gebe mein Bestes, kleiner Stern, aber den Rest der Reise musst du wohl alleine schaffen», sagte der Vater zum Stern. Er holte mit seinem Arm Schwung und warf den Stern mit voller Kraft Richtung Himmel. Der kleine Stern hatte alles verstanden und wusste nun sehr wohl: Er gehört in den Himmel, dort wird er gebraucht. Denn egal, wie viele Sterne scheinen, jeder einzelne ist wichtig.
In der Luft begann er, sich zu drehen, um schneller zu werden. Das half, er stieg höher und höher. Und als er fast mit dem Mond zusammenstiess, fühlte er einen Hauch, den ihn sofort zurück an sei-nen Platz schleuderte.
Vater und Tochter schauten in den Himmel, dem Stern hinterher. Und auch das Häschen hatte seine Nase unter der Wurzel hervorgestreckt.
Nun sah der Stern wieder auf die Erde herunter. Er strahlte, beleuchtete die Winternacht und fing die Träume auf, die die Menschen Richtung Himmel schickten.